Die Lippische Rose by Hertha Koenig

Die Lippische Rose by Hertha Koenig

Autor:Hertha Koenig [Koenig, Hertha]
Format: epub
Herausgeber: Pendragon Verlag
veröffentlicht: 2010-02-23T14:00:00+00:00


8.

Die Krankheit der Äbtissin ließ sich nicht länger als Vorwand behandeln, um einer unerwünschten Einladung abzuwinken. Weder hatte das Ysopwasser seine Wirkung auf Magen, Herz und Milz verspüren lassen, noch waren die Schmerzen in den Beinen durch das Liegen gemildert. Vielmehr wollte scheinen, als ob die Ruhe bei einer Frau von so starkem Willen und Bewegung einen Zustand des Gemütes verursachte, der geradezu der Besserung entgegenstand.

Als Gräfin Amalie sie einige Tage nach dem Pyrmonter Jagdfest besuchte, erschrak sie über den raschen Verfall. Zwar nahm die Kranke lebhaft Anteil an allem, was die Gräfin erzählte. Besonders bei der wohlgefälligen Wiedergabe der huldvollen Zarenworte an Friedrich Adolph wurde sie lebhaft. „Das soll er wirklich gesagt haben?“

In ihrer baltischen Heimat kannte man Peters Art, Réprimanden zu erteilen. Wenn er gut gelaunt war, stets auf solch spöttische Art. ‘Und Friedrich Adolph fühlt sich geschmeichelt!’

Amalie war auch einmal in Pyrmont gewesen. „Höre, er ist ja gar nicht solch derber, grober Herr. Hat sogar eine sehr liebenswürdige Art Frauen gegenüber.“ „Zar Peter bleibt Zar Peter“, lächelte die Äbtissin. Ohne jedoch zu verraten, daß sie selbst seinem Zauber einst erlegen. In ihrem Vaterhaus, ihm gegenüber, fühlte sie: Es ist herrlich, mit dir zu reden, weil du herrlich bist. Und welch verwirrende Wahrnehmung, daß er ebenso empfand!

Wie sollte es weitergehen, wenn die Äbtissin nicht wieder zu Kräften kam? Diese Frage lastete auf der Abtei.

Bisher hatte sich die Kranke unter großen Schmerzen gezwungen, zum Lehensaal hinüber zu gehen und den Thronsessel zu besteigen, wenn es um Amtshandlungen ging. Jetzt war es ein trauriger Anblick, wenn sie auf ihren Kammerdiener und Leibjäger gestützt recht eigentlich hereingetragen wurde. Wenn sie dann unter dem scharlachroten Baldachin niedergesetzt worden war, auf ihren sammetausgeschlagenen Thronsessel, und man ihr den Krummstab in die Hand gelegt hatte, war sie wieder die gewohnte Herrscherin.

Aber ihre Reisen zu den Lehengütern und -höfen ihrer Abtei, diese oft tagelangen Fahrten bis ins Emsland, ins Osnabrück’sche und gar bis zu den Weingütern am Rhein, – die mußte sie immer wieder hinausschieben.

Die Stiftsprediger und Pastoren der Stadt besuchten die Kranke, um ihr Trost zuzusprechen. „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal...“ Einer wagte wohl auch zu mahnen, nicht wider den Stachel zu löcken.

Die Äbtissin war viel zu klug, um nicht im Innersten zu wissen, daß in solchem Wort alle Weisheit beschlossen liegt. Ihr Zustand zeigte ihr, wieviel Kräfte die Auflehnung sie kostete.

Aber solche Ermahnungen kamen aus einer innern Harmonie, die ihr nicht eigen war; oder aus einem Bescheiden, einer Gewohnheit, der sie nicht zustimmte.

Die Krankheit war ja nicht der eigentliche Stachel; war nur die Erschwerung eines Kampfes, den sie nicht aufgeben konnte, nicht aufgeben durfte.

Sie erinnert sich noch an eine Zeit, da alles in der Abtei verworren schien in einem unseligen Gegeneinander. Wie es da mitten in dieser Not plötzlich hell um sie wurde; weil sie erkannte, daß sie selbst nichts vermochte, daß ihr nur von einer anderen Stelle, außerhalb, hoch über ihr, Hilfe kommen kann.

Fände sie doch einmal wieder hin zu diesem befreiten Zustand des Ausgelöschtseins, um zugleich die Kräfte zu verspüren, die daraus kamen – ganz neue, starke und freudige.



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